Fakten
1. Armut und Ungleichheit
In den letzten zehn Jahren gab es im Bereich der Armutsminderung Verbesserungen bei globalen Durchschnittswerten der Millenniumsziele. Zwischen Ländern gibt es jedoch große Unterschiede was Qualität und Nachhaltigkeit der Erfolge (Bildung, Gesundheit, Unterernährung…) betrifft. Daher muss eine zukünftige Agenda für nachhaltige Entwicklung ganzheitlich und universell sein und für alle Länder und Menschen gelten. Die aufstrebenden Schwellenländer haben auf Grund ihrer dynamischen wirtschaftlichen Entwicklung ein neues Selbstbewusstsein und einen neuen Stellenwert erlangt. Arm-Reich ist weniger eine Nord-Süd-Frage („neue Geografie der Armut“). Starke und zunehmende Ungleichheit innerhalb der Gesellschaften werfen Verteilungsfragen auf.
2. Umwelt, Klima und Energie
Es gibt einen starken Wettlauf um Ressourcen. Die Ressourcenausbeutung (Extraktivismus) geschieht meist nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung. Auf Menschen und Umwelt wird dabei zu wenig Rücksicht genommen. Gleichzeitig heizt der zunehmende Energie-Verbrauch den Klimawandel an. Dies hat massive Auswirkungen vor allem auf die Ärmsten. Landverteilung und -Nutzung (z.B. für Bergbau, Agroindustrie, Agro-Treibstoffe) stellen weitere Herausforderungen für die Ernährungssouveränität dar.
3. Wirtschaft und Finanzen
Es gibt eine wachsende Diskrepanz zwischen Finanzsektor, Realwirtschaft, volatile Finanzmärkte, Spekulation (Nahrungsmittel, Währungen etc.) und unzureichende Regulierungen. In den Brennpunkt der Aufmerksamkeit sind angesichts leerer Staatskassen Praktiken der Steuerflucht und -vermeidung gerückt. Gegenmaßnahmen werden auf unterschiedlichen Ebenen (G 20, OECD und EU) diskutiert. Das Freihandelsabkommen (TTIP) zwischen der EU und den USA wird weiter vorangetrieben, obwohl auf der WTO-Ebene die Verhandlungen stocken.
4. Steuerflucht und Transparenz
Korruption hemmt die Armutsbekämpfung und die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. Jährlich gehen 1000 Milliarden US-Dollar allein durch Bestechungszahlungen im internationalen Geschäftsverkehr verloren. Damit fehlen dringend benötigte Mittel für öffentliche Versorgung, Bildung, Gesundheit und Soziales. Dies wird vor allem durch „Steueroasen“ (niedrige Besteuerung und fehlende Transparenz) begünstigt. Fehlende Transparenz, Umgehung gesetzlicher Regelungen und Verschleierungen haben zur Finanzkrise und zum Vertrauensverlust in das Bankenwesen beigetragen; gleichzeitig sind die Profiteure ihren Beitrag an das Gemeinwesen schuldig geblieben.
5. Frieden und Sicherheit
Neue Polarisierungen innerhalb von Ländern (nach Parteien, ethnischer Zugehörigkeit, Religion etc.) sind zu beobachten, ebenso ein Aufbegehren und Verlangen einer wachsenden Mittelschicht, sowie der perspektivenlosen Jugend, nach Mitsprache. Dies führt vermehrt zu teils gewaltsam ausgetragenen Konflikten. Internationale Interessen und Waffenlieferungen verschärfen diese dramatisch (Somalia, Syrien, Zentralafrika, Südsudan..). Die Hauptakteure sind meist nicht der staatlichen Hoheit unterstellt.
6. Ressourcen (Wasser, Land, Rohstoffe)
Wenn im nächsten Jahr die Frist für die Umsetzung der Millenniumsziele abläuft, werden einige der Ziele nicht erreicht worden sein. Derzeit sind 768 Millionen Menschen ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser. 2,5 Milliarden Menschen müssen ohne Sanitäranlagen auskommen. Jährlich sterben allein 700 000 Kinder (= täglich 2000) an Durchfallerkrankungen, die von schmutzigem Wasser herrühren. Die globale Finanzkrise hat dazu beigetragen, dass die für Wasserversorgung und hygienische Maßnahmen gesetzten Ziele nicht erreicht wurden: Die globalen Zuwendungen für diese beiden Bereiche sind zwischen 2009 und 2011 um eine Milliarde US-Dollar gesunken.
7. Landraub (Landgrabbing)
Der Wettlauf um Ackerland und natürliche Ressourcen wird heftiger. Betroffen sind u.a. riesige Anbauflächen in Entwicklungsländern. Das Land wird gekauft oder gepachtet, um Pflanzen für Agrartreibstoffe anzubauen, forstwirtschaftliche Produkte zu erzeugen oder Bodenschätze auszubeuten. Hauptakteure sind dabei zumeist große internationale Privatunternehmen. Es kommt zu Zwangsenteignungen, Vertreibungen und zur Zerstörung kleinbäuerlicher Lebensgrundlagen. Menschenrechte wie das Recht auf Land, Wasser und Nahrung, werden dabei grob verletzt.
8. Frauen sind überdurchschnittlich von Armut betroffen
Armut ist nicht geschlechtsneutral, Frauen sind überdurchschnittlich von ihr betroffen. Tatsache ist, dass immer noch 70 % der absolut Armen Frauen und Mädchen sind. Die Benachteiligung der Frauen hat neben politischen und wirtschaftlichen auch historische, kulturelle und institutionelle Ursachen. Zwar ist die Anzahl der erwerbstätigen Frauen gestiegen, diese arbeiten jedoch meist im Niedriglohn- oder sogar im informellen Sektor. Unser Wirtschaftssystem, das sich vor allem am Wachstum des Bruttonationalprodukts orientiert, ignoriert die häufig im informellen Sektor und vorwiegend von Frauen geleistete produktive und reproduktive Arbeit. Hervorzuheben ist dabei die Bedeutung des Einsatzes für Gleichberechtigung und Förderung von Frauen in der kirchlichen EZA.
Thesen
Armut und Hunger sind NICHT Schicksal, sondern werden maßgeblich von sozialen und gesellschaftlichen Umweltfaktoren beeinflusst. Um daher sowohl Armut als auch Hunger weltweit zu reduzieren braucht es neue und/oder bewährte andere Ansätze im den Bereichen: Finanzwirtschaft inklusive Steuergerechtigkeit; Nahrungsmittelsicherheit durch eine nachhaltige Agrarpolitik (z. B. Monokulturen, regionaler Konsum etc.) und in unserem Land eine entsprechende Entwicklungsfinanzierung.
Handlungs- und Projektvorschläge (Leuchtturmprojekte):
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Arbeitsgruppenmitglieder:
Mag. Ernst Josef Sandriesser, Mag. Fery Berger, Sr. MMag. Silke-Andrea Mallmann, CPS, Univ.-Prof. Dr. Michael Rosenberger, Mag. Dr. Stephan Schulmeister, Christoph Schweifer, Mag. Dr. Petra Steinmair-Pösel, Ing. Heinz Hödl, Dr. Bernhard Rebernik
Mag. Ernst Sandriesser
Leiter Katholisches Bildungswerk "Bildungsplattform der Kath. Aktion"
Vorsitzender Diözesanrat "Forum Katholischer Erwachsenenbildung"
Referent: Referat für Schöpfungsverantwortung
Leiter der Arbeitsgruppe "Ökologie & Globale Gerechtigkeit"
Mag.a Dr.in Petra Steinmair-Pösel,
Unversität Wien, Institut für Sozialethik
Mitglied der Arbeitsgruppe "Ökologie & Globale Gerechtigkeit"
„Lösungen für die großen ökologischen Fragen der Gegenwart zu finden ist heute sowohl ein Gebot der Vernunft als auch der internationalen und intergenerationellen Gerechtigkeit. Klare und mutige Schritte sind notwendig - denn vielleicht mehr denn je gelten heute die Worte des engagierten Dichters Erich Fried: Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, will nicht, dass sie bleibt.“
Ing. Heinz Hödl
Geschäftsführer der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz
für internationale Entwicklung und Mission
Mitglied der Arbeitsgruppe "Ökologie & Globale Gerechtigkeit"
Univ.-Prof. Dr. Michael Rosenberger
Institut für Moraltheologie, Katholisch-Theologische Privatuniversität Linz
Mitglied der Arbeitsgruppe "Ökologie & Globale Gerechtigkeit"
"Ich erwarte mir vom Zukunftsforum einen Schub für das konkrete Handeln der Kirche Österreichs im Dienst an Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Geredet wurde in den letzten Jahrzehnten viel - jetzt ist es höchste Zeit, vom Reden zum mutigen, engagierten Handeln zu kommen und ein Licht anzuzünden, das man dann auf den Leuchter stellen kann (Mt 5,15)."
Mag. Dr. Stephan Schulmeister
Austrian Institute of Economic Research (WIFO)
Mitglied der Arbeitsgruppe "Ökologie & Globale Gerechtigkeit"
Christoph Schweifer
Generalsekretär Internationale Programme Caritas Österreich
Mitglied der Arbeitsgruppe "Ökologie & Globale Gerechtigkeit"
"845 Millionen Menschen leiden an Hunger. Alle 10 Sekunden stirbt ein Kind an Unterernährung. Es geht darum, Not und Ungerechtigkeit von ihren Ursachen her zu bekämpfen und darum, eine Gesellschaft anzustreben, in der Menschen füreinander Verantwortung übernehmen. Im Sinne dieser Solidarität bietet gerade das Zukunftsforum eine Plattform, um den so wichtigen Dialog zwischen allen gesellschaftlichen Kräften zu fördern und globale Zukunftsthemen wie Armut, Hunger oder Klimagerechtigkeit zu diskutieren."