Dienstag 19. März 2024
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Österreichs Kirche will ökologisches Handeln verstärken

Hearing "Ökologie & globale Gerechtigkeit"

Zukunftsforum der katholischen Kirche zum Thema Ökologie und globale Gerechtigkeit in Wien - Bischof Schwarz: Kirche soll "anfragbar" werden - Umweltminister Rupprechter verweist auf Leo XIII. und Franz von Assisi

 

Wien (KAP) Im Vorfeld der Veröffentlichung der angekündigten Umwelt-Enzyklika von Papst Franziskus rückt die katholische Kirche in Österreich die Themen Ökologie und globale Gerechtigkeit in ihren Fokus: Hochrangige Umwelt-Fachexperten aus Wissenschaft, Staat und Kirche nahmen am Freitag in Wien an einem Hearing des "Zukunftsforums" der katholischen Kirche teil, bei dem über die Bereiche "Energiewende", "zukunftsfähige Ernährung", eine "faire Welt für alle" und "gerechte Wirtschaft" beraten wurde.

 

Ein "offener Prozess ohne innerkirchliche Nabelschau" sei angestrebt, erklärte der Vizepräsident der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), Norbert Thanhoffer; KAÖ-Generalsekretär Josef Pumberger kündigte die Erarbeitung konkreter Handlungswege der Kirche abseits von Lehrschreiben und Thesenpapieren an. Die Katholische Aktion ist mit der Moderation des Zukunftsforums betraut. Das Hearing wurde inhaltlich von den diözesanen Umweltbeauftragten Ernst Sandriesser (Klagenfurt) und Hemma Opis-Pieber (Graz) vorbereitet, weitere diözesane Umweltreferenten und Entscheidungsträger nahmen teil.

 

Bischof Schwarz: "Hebelwirkungen"

Zu Ökologie und Schöpfungsverantwortung gibt es schon ausreichend viele Grundlagentexte, doch muss an der Umsetzung stärker gearbeitet werden, betonte Österreichs "Umweltbischof" Alois Schwarz. Dabei gelte es, auf "Hebelwirkungen" zu setzen und durch Handlungsmotivationen zu einem Wachsen, Gedeihen und Entfalten nachhaltiger Initiativen zu erlauben. Zu einem "Hebel für Veränderung" könne etwa die aktuell überprüfte Vorgabe an die Diözesen werden, ethisch zu investieren. Zudem müsse laut dem Kärntner Bischof das Beispiel von "Pionieren" in kirchlichen Reihen mehr ausgetauscht werden, damit diese mehr Nachahmer finden.

 

Bischof Schwarz zufolge brauche die Kirche auch Strukturveränderung in Richtung mehr Nachhaltigkeit, was gelinge durch ein "Denken im großen Rahmen" und der daraus entstehenden Eigendynamik. "Eine neue Zuschreibung von Verantwortlichkeiten ist nötig, sonst wird das nicht gehen", so der in der Bischofskonferenz für Ökologie zuständige Bischof. Auch der "Widerstand derer, die es sich gerichtet haben", müsse dabei in Kauf genommen werden: "Wir wachsen am Widerstand - auch bei Ökologie und globaler Gerechtigkeit."

 

Die Kirche soll ihren eigenen Weg in Umweltfragen überprüfen und bei dem Thema "anfragbar" werden, definierte Bischof Schwarz als Ziel des von der Katholischen Aktion in Gang gesetzten und moderierten Prozesses. Die zu erwartende Öko-Enzyklika des Papstes werde dabei eine Unterstützung sein, ebenso aber auch eine Herausforderung, die es umzusetzen gelte. "Vor allem wird es darum gehen, das Evangelium als Spiegel zu nehmen und daraus ein Programm zu formulieren, bei dem es um das zur Freude führenden Leben - nicht nur um das Überleben - geht. Wir sollten Fachleute des Lebens sein", so der Bischof.

 

Rupprechter-Verweis auf Leo XIII. und Franz von Assisi

Dass sich bereits Papst Franziskus' Vorgänger wegweisend zu Ökologie geäußert hatten, betonte Umweltminister Andrä Rupprechter. Er verwies auf Leo XIII., der in "Rerum novarum" mit seinen Prinzipien Personalität, Solidarität und Subsidiarität die Schöpfungsverantwortung der Kirche grundgelegt habe sowie auch die katholisch-soziale Bewegung, als deren Anhänger sich der Bundesminister deklarierte. Der in dieser "Mutter der Sozialenzykliken" beschriebene Vorgabe der Eigenveranwortung, Wohlstands-Teilhabe der Schwächeren sowie Entscheidungsfindung auf unterer Ebene sei "der richtige Weg", so Rupprechter.

 

Der Minister hob zudem den heiligen Franziskus hervor, der in seinem eigenen Lebenswandel als auch durch sein Wirken auf ähnliche Weise ein Vorbild für radikale Veränderung gewesen sei wie auch Jesus selbst. "Gestalten heißt Verändern, denn Entwicklung geschieht nur aus Veränderung", so Rupprechter. Vorbedingung sei ausreichend Mut und ein Orientieren nach "vier geistigen Himmelsrichtungen", nämlich: "Nach unten stark verwurzelt und standhaft zu eigenen Werten, nach rückwärts dankbar - etwa der Elterngeneration, die uns dieses lebenswerte Österreich aus den Trümmern des Krieges aufgebaut und überantwortet hat, nach oben - gläubig - sowie nach vorne, durch mutiges und zuversichtliches Verändern.

 

Holzinger: Ziel "ressourcenleichter Lebensstil"

Persönliche Rahmenbedingungen im Kleinen müssen sich mit politischen ergänzen, damit ein "ressourcenleichter Lebensstil" erreicht werden kann, legte Hans Holzinger von der Salzburger Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen (JBZ) dar. Menschen würden Veränderungen nur dann selbst in ihrem Lebensstil vornehmen, wenn sie erkennen, "dass sie ihnen selbst gut tun". Gleichzeitig müsse jedoch auch die Politik für einen Rahmen mit Rechten und Pflichten sorgen. Die bisherige informationsbasierte Strategie sei gescheitert, da sie keine Verhaltensänderung auf breiter Basis bewirke: "Die Alarmglocken schrillen, doch sie werden überhört", so der Zukunftsforscher.

 

Vom heutigen Wohlstand werde die Mehrheit der Menschheit ausgeschlossen und die Natur ausgebeutet, zudem würden selbst die Nutznießer des Wohlstands im Stress versinken - "der Mensch ist die Krone der Erschöpfung", so Holzinger pointiert. Eine Wohlstands-Neudefinition sei fällig, die neben BIP pro Kopf auch die Einkommensverteilung, die gesellschaftliche Ausgrenzung und den ökologischen Fußabdruck beinhalten solle. Weiters forderte der Wissenschaftler eine Neuverteilung der Arbeit, eine "Kultur des Genug" und der Inklusion, sowie Umgebungen der kurzen Wege. Die Kirche könne durch ihre Einrichtungen viel zu diesem neuen Bewusstsein beitragen.

 

Friedbacher: Kompetenz bereits vorhanden

Beiträge für die Suche nach den eigenen Handlungsspielräumen der Menschen forderte Energiewirtschafts-Expertin Elisabeth Friedbacher vom Umweltbundesamt als Reaktion auf Holzingers Impulsvortrag von der Kirche. Sinnvoll sei etwa stärkerer Austausch in den Pfarren über die "EMAS"-Nachhaltigkeitszertifizierung.

 

Gerzabek: "Tolle Ansätze" weiterführen

Der Direktor der Wiener Universität für Bodenkultur, Martin H. Gerzabek, verwies auf die kirchlichen Schulen, in denen Umwelthandeln am besten vermittelt werden könnte. Positiv-Beispiele seien auch das Caritas-Projekt LEO (Lebensmittel und Orientierung) oder die "tollen Ansätze" nachhaltigen Wirtschaftens in vielen Stiften und Klöstern. Ähnlich wie zuvor Minister Rupprechter, hob auch Gerzabek die päpstlichen Lehräußerungen zur Ökologie hervor, darunter "Populorum progressio", "Centesimus annus" und vor allem "Caritas in veritate", in denen die Kirche "enorme Schätze, die stärker unter die Leute gehören" besitze: Alle nötigen Rahmenbedingungen für die nachhaltige Intensivierung der weltweiten Landwirtschaft könne man aus diesen Enzykliken entnehmen, so der Universitätsleiter. Die Kirche wäre gut beraten, daraus Handlungsanweisungen für das eigene und für das gesellschaftliche Handeln abzuleiten.

 

Kirchengast: Diözesen brauchen klare Strategien

Der Grazer Klimaforscher Gottfried Kirchengast appellierte an die Bischöfe, in ihren Diözesen Strategien zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu entwickeln und sich zu diesen Prinzipien bekennen. Unterstützung und Kompetenz gebe es dazu in Österreich längst, auch innerhalb der Kirche. Auf operativer Ebene schlug Kirchengast vor, in jedem Entscheidungsgremium eine Person zu verankern, die für die Einhaltung der Grundsätze Ressourcen- und Energieeffizienz Sorge trage. Alle Zeichen würden derzeit darauf deuten, dass die demnächst veröffentlichte Enzyklika dazu substanzielle moralischen Rückhalt geben werde, so der Experte.

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